Es ist Ende Januar. Eine Zeit, in der das Wetter trüb, grau und geheimnisvoll sein kann. Vor allem auf den Inseln. Als ich morgens in Den Helder auf die Fähre nach Texel steige, kommen aber gerade ein paar zaghafte Sonnenstrahlen hinter den Wolken hervor. Manchmal hat man halt Glück. Die Überfahrt mit der Fähre nach Texel dauert nicht lange, nach nur 15 Minuten steht man schon auf der Insel. Und dort erfasst einen sofort das Inselgefühl. Hier steht ein stärkerer Wind, die sanften Hügel der Dünenlandschaft geben ein hübsches Bild ab und die Schreie der Möwen klingen schrill durch die Luft. Mein Auto habe ich in Den Helder zurückgelassen, um die Insel zu Fuß und auf dem Fahrrad zu erkunden.
Auf der Insel fahre ich zuerst mit dem Bus zum Prins Hendrikhotel, wo ich heute übernachten werde. Das ist ein historisches Hotel am Rande des Wattenmeers, mit einer geschmackvollen farbenfrohen Einrichtung und komplett modernisiert, sodass man hier in aller Ruhe ausspannen und den inneren Akku aufladen kann. Jetzt zieht es mich aber erst nach draußen, denn am blauen Himmel in der eiskalten Luft steht heute die Sonne. Der perfekte Tag für eine Winterwanderung.
Am Hotel steig ich auf mein Rad und stemme mich auf dem Wattenmeerdeich gegen den Wind in die Pedale. Die Wanderroute "Rondom de kop van Texel“, die ich mir ausgesucht habe, beginnt am Pumpwerk Eijerland in De Cocksdorp. Mit roten Wangen mache ich mich auf für 12 Kilometer. In der Ferne sehe ich die Spitze des roten Leuchtturms über den Dünen, da muss ich hin.
Zuerst gehe ich ein gutes Stück am Wattenmeer entlang und genieße die Ruhe, den Wind und die herrliche Meeresluft. Kurz bevor ich am Leuchtturm ankomme, mache ich einen Abstecher zum Strandpavillon Kaapnoord. Wenn ich gleich den Leuchtturm hinauf klettern will, sollte ich jetzt erst zu Mittag essen. Im gemütlichen Pavillon herrscht reger Betrieb und ich kann einen der letzten Plätze am Kamin ergattern. Hier lässt es sich gut aushalten und die regionalen Spezialitäten wie Texeler Käse und das örtliche Bier schmecken köstlich. Ein Blick aus dem Fenster zeigt mir Strand, Meer und den klaren, blauen Himmel. Hier kann man so richtig die Seele baumeln lassen.
Ich mache mich wieder auf den Weg. Der stattliche, rote Leuchtturm steht am nördlichsten Punkt der Insel und die Wanderroute führt um ihn herum. Nach dem guten Mittagessen bin ich gestärkt für den Aufstieg auf den Leuchtturm. Eine Wendeltreppe führt mich auf 118 Stufen nach oben. Dort erwartet mich eine atemberaubende Aussicht. In der Ferne sehe ich die Nachbarinsel Vlieland und auf der anderen Seite des Turms kann ich über die Insel blicken. Felder und Wiesen in der Mitte der Insel, Dünen an den Rändern. Man kann gut erkennen, dass diese Insel agrarisch bewirtschaftet wird.
Ich mache mich wieder auf den Weg. Diesmal verlasse ich den Strand und gehe in den Dünen weiter. Die Welt ist hier ganz anders, um mich herum wachsen Gräser in Lila-, Grau- und Bernsteintönen. Die tiefstehende Sonne erzeugt ein wunderbares Licht mit langen Schatten, wie man es nur im Winter sieht.
Hinter den Dünen kommt ein kleiner Wald und schon stehe ich wieder in einer ganz anderen Landschaft. Zwischen den Nadel- und Laubbäumen verebben die Geräusche des Meeres, hier hängt ein grüner Duft nach Moos und Waldboden. Unterwegs kann ich Vögel und Kaninchen beobachten, während der Wind um mich herum durch die Nadelbäume rauscht. Das ist das Außergewöhnliche am Wandern auf einer Wattenmeerinsel: Ein so kleines Fleckchen Land, auf dem es im Winter wie im Sommer eine so verblüffende Diversität an Natur gibt… Wo findet man das sonst noch?
Ich bin inzwischen am Ende meiner Wanderung angelangt. Die Route endet wieder in De Cocksdorp, wo ich mein Fahrrad zurückgelassen habe. Dank der immer abwechslungsreichen Ausblicke und der vielen sehenswerten Stellen unterwegs, sind die Kilometer nur so vorbeigeflogen. Von mir aus hätte die Route noch 12 Kilometer länger sein dürfen!
Ich radle zurück zum Hotel und dann geht die Sonne auch schon fast unter. Das warme Bad habe ich mir nach meiner Wanderung verdient und anschließend falle ich wohlig erschöpft und zufrieden in mein weiches Bett. Am nächsten Morgen in aller Frühe gehe ich vom Hotel in ein paar Minuten den Deich hinauf, um mir den Sonnenaufgang anzusehen. Der ist im Winter eigentlich am allerschönsten. Die Farbkombination, die hier am Himmel steht, kann man sich kaum vorstellen: Rot, Lila, Orange… In der Stille der winterlichen Insel genieße ich diesen Moment in vollen Zügen. Es ist eine unbeschreiblich schöne Erfahrung, die Natur dieser Insel gerade im Winter entdecken zu dürfen. Ich kann es wärmstens empfehlen.