Terschelling: fünf Winterlandschaften auf einer Insel vereint

Auf Terschelling fühle ich mich zuhause. Glücklich und voller Vorfreude steige ich also früh morgens auf die Fähre und fahre in der sanften Morgensonne hinüber zur Insel. Keine der Inseln im Watt ist wie die andere und das zeigt sich mal wieder als die Fähre am Hafen von West-Terschelling anlegt - hier steht man gleich mitten im größten Dorf der Insel.

Im Volksmund wird das Dorf auch kurz ‚West‘ genannt. Hier gibt es kleine Läden, Straßenterrassen und natürlich die Touristeninformation. Dort gehe ich zuerst hin, um mir eine Wanderroute auszusuchen und ein Fahrrad zu mieten. Meine Tasche stelle ich im Hotel um die Ecke ab und dann beginne ich auch gleich meine Wanderung. Für die geplante Route von 20 Kilometern muss ich mich nämlich zeitig auf den Weg machen.  

 

Meine Wanderung führt mich am Hafen vorbei und am Watt entlang in Richtung des Wattenmeerdeiches. Heute ist Schmuddelwetter und weil gerade Ebbe ist, glänzt das Schlick im gleichen Grauton wie der Himmel. Den vielen Vögeln hier ist das Wetter egal, sie ruhen sich entspannt auf dem trockengefallenen Meeresboden aus. Mit einem Fernglas kann man sich die Vögel in Ruhe ansehen. Wenn man hier so wandert, entlang dieser kargen Weite, dann hat man fast das Gefühl, man wäre ganz allein auf der Welt. Ich liebe dieses Gefühl. Und nicht nur die Landschaft ist ein Kunstwerk an sich, man kommt auch an echter Kunst vorbei. Zum Beispiel an “Beelden uit de zee” (Skulpturen aus dem Meer) - Granitblöcke, die aus einem Schiffswrack geborgen und auf dem Deich zu einem Kunstwerk verarbeitet wurden.  

Bei Kinnum überquere ich den Deich, um durch die Polderlandschaft zu wandern. Ein ländliches Gebiet mit vielen Bauernhöfen und dem Himmel voller Vögel, die eifrig Insekten fangen. Am Stryper Kerkhof angekommen lese ich die beeindruckende Geschichte dieser Grabstätte. Hier werden schon seit 900 nach Christus Menschen begraben. Eine besondere Stelle also, mit einer langen Geschichte. Vom Friedhof aus wandere ich durch das hübsche Dorf Midsland, wo ich mir im Het Witte Huuske ein schnelles Mittagessen gönne. Suppe und Brot, dazu Kaffee. Gestärkt ziehe ich weiter. 

 

Als ich Midsland hinter mir gelassen habe, denke ich mir, wie überraschend und vielseitig Terschelling doch ist. Meer, Polder, Dorf, Kunst und Geschichte - alles schon vorbeigekommen! Inzwischen gehe ich auf die Dünen zu. In den Dünen von Terschelling wurden vor Jahren an vielen Stellen Wassergräben für die Landwirtschaft angelegt. Heute bilden diese Gräben vor allem einen Hintergrund für malerische Bilder, weil sie sich so hübsch durch die Landschaft ziehen. Auch bezaubernde Ausblicke gibt es hier im Überfluss und wer Glück hat, kann sogar grasende Hereford-Rinder, Exmoor- und Shetlandponys, Landziegen oder Konik-Pferde beobachten.  

Von den Dünen komme ich zum Strand, wo die See den heulenden Wind übertönt. Die heranrollenden Wellen und der nasse Strand verraten mir, dass die Flut kommt. Wie schön, dass man die Natur hier so gut lesen kann.    

 

Bei West aan Zee verlasse ich den Strand wieder und klettere die Dünen hinauf und von dort aus in den Wald hinein. Ja, sogar Wald gibt es hier auf Terschelling! So stehe ich plötzlich wieder in einer ganz anderen Umgebung.   

Hinter dem Waldstück wandere ich über den Groene Strand und schließlich wieder nach West hinein. Dann klettere ich noch auf die Seinpaaldüne - das ist meine Lieblingsstelle auf der Insel. Hier hat man die schönste Aussicht auf die hohen Dünen bei Paal 2 und bei gutem Wetter kann man sogar die Nachbarinsel Vlieland sehen! Ich genieße einen Moment die Aussicht und dann ist es an der Zeit, mich aufzuwärmen und bei Pura Vida, mitten im Dorf, einzukehren. Pura Vida ist eine relaxte Foodbar mit einer Wandmalerei von einem Oktopus, die den hippen Charakter dieses Lokals noch unterstreicht. An einer Seite des Restaurants lädt eine gemütliche Sitzecke mit Kissen zum Ausspannen ein. Nach dem Essen schlendere ich zufrieden zu meinem Hotel, dem Hotel NAP, am Fuß des roten Leuchtturms. Eine angenehme Unterkunft an einem wunderbaren Ort. Das Hotel ist warm und gemütlich und steht für mich an der perfekten Stelle.  

Nach einer entspannten Nacht und einer ausgiebigen warmen Dusche genieße ich in aller Ruhe das Frühstücksbüfett. Bevor ich wieder nach Hause fahre, möchte ich mir noch etwas die Beine vertreten. So früh morgens ist die Insel noch in Nebel gehüllt und so streune ich in aller Ruhe durch das Dorf und die an West-Terschelling grenzenden Dünen. Der Nebel verleiht der Landschaft eine märchenhafte Atmosphäre. Alles ist noch etwas stiller als sonst. Aber wie das Wetter auch ist, magisch ist es hier eigentlich immer. Und noch bevor ich überhaupt abgereist bin, habe ich mir selbst schon versprochen: Ich werde bald wieder herkommen! 

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